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Bericht in der BZ vom 21.03.2012

BZ Interview mit Thorsten Mietzner vom 26.03.2012

BZ-INTERVIEW mit Thorsten Mietzner, Lahrer Stadthistoriker, zu den 1250-Jahr-Feiern in Mietersheim und Oberschopfheim.
ORTENAU. 1000 oder noch mehr Jahre: Immer wieder wird in einer Stadt oder einem Dorf Jubiläum gefeiert. Meist wird nicht auf die Gründung Bezug genommen, sondern die urkundliche Ersterwähnung. In Hofweier wurde 2001 das 900-Jährige gefeiert, in Schuttern 2003 das 1400-Jährige, in Sand 2004 und in Diersburg 2007 jeweils das 750-Jährige sowie in Grafenhausen 2011 das 900-Jährige. Das 1250-Jährige feiern in diesem und im kommenden Jahr unter anderem Mietersheim und Oberschopfheim. Kurioserweise beziehen sie sich auf dieselbe Urkunde. Wie ist das möglich? Unser Redakteur Hubert Röderer sprach mit dem Lahrer Stadthistoriker Thorsten Mietzner.

BZ: Mietersheim und Oberschopfheim berufen sich beide auf dieselbe Urkunde des Bischofs Heddo I. von Straßburg. Dieser soll dem in Not geratenen jungen Kloster Ettenheimmünster Höfe in Mietersheim und Oberschopfheim (und auch anderswo) geschenkt haben, die ihm gehörten. Doch Mietersheim feiert bereits 2012 die 1250-Jahr-Feier, Oberschopfheim erst 2013. Wer liegt daneben?

Mietzner: In diesem Fall die Oberschopfheimer. Das Datum 763 stammt aus alten Quelleneditionen des 19. Jahrhunderts. Die Urkunde selbst ist datiert mit "Im elften Jahre der Regierung Königs Pippin". Bis ins späte 19. Jahrhundert war das Krönungsdatum Pippins unsicher, dann hat sich zunehmend Ende 751 herauskristallisiert. Freilich ändert das nichts daran, dass die Urkunde selbst gefälscht oder zumindest verfälscht wurde und erst Anfang des 12. Jahrhunderts geschrieben wurde.

BZ: Auf gut Deutsch: Es sind also beide Jahreszahlen ungesichert, sowohl 762, worauf sich Mietersheim beruft, als auch 763, das Oberschopfheimer Bezugsdatum?

Mietzner: Sagen wir es so: Die Mönche, die Anfang des 12. Jahrhunderts die Urkunde schrieben, haben sie von einer älteren Urkunde abgeschrieben. So viel ist sicher, und wahrscheinlich stammt diese ältere Urkunde auch aus dem Jahre 762. Nicht sicher aber ist, ob die zahlreichen Ortsangaben in dieser älteren Urkunde von 762 bereits drinstanden oder erst im 12. Jahrhundert eingefügt wurden. Es ist sogar relativ unwahrscheinlich, dass Oberschopfheim oder Mietersheim – aber auch die zahlreichen anderen Orte unserer Region – bereits in der alten Vorlage standen, da karolingische Urkunden diese Formen der Ortsangaben nur selten hatten. Entweder haben die Mönche im 12. Jahrhundert die Ortsangaben aus anderen, uns nicht bekannten Urkunden hinzugefügt oder aber sie haben sie erst jetzt reingeschrieben.

BZ: Kann man aber wenigstens davon ausgehen, dass Mietersheim und Oberschopfheim bereits 762 oder 763 existiert haben, zumal sie auch noch dieselbe Endung (-heim) haben?

Mietzner: Bei Mietersheim kann man sich aufgrund des Namensgenitivs und der Endung -heim ziemlich sicher sein, dass der Ort bereits im 6. oder 7. Jahrhundert gegründet wurde. Die alte Schreibweise lautet ja Mutherisheim, also Heim des Mutheris. Bezüglich Oberschopfheim kenne ich die namenskundliche Forschung nicht. Es gibt aber noch die Erwähnung von "Scofhaim" aus dem Jahre 777 im Testament des Abts Fulrad von St. Denis. Diese Urkunde ist echt, aber die Identifizierung mit Ober- oder Niederschopfheim nicht ganz unbestritten. Gelegentlich taucht die These auf, dass eigentlich Schopfheim am Oberrhein damit gemeint sei. In der Regel aber wird dieses "Scofhaim" in der Ortenau lokalisiert, und wenn man dann noch die römischen Funde der Region betrachtet, ist tatsächlich von einer Besiedlung im 8. Jahrhundert auszugehen. Letztlich klären muss dies aber die lokale Forschung.

BZ: Ist es auch denkbar, dass beide Orte sogar deutlich älter sind, Jahrhunderte älter?

Mietzner: Denkbar und auch wahrscheinlich. ’-heim’-Orte haben oft einen alemannisch-fränkischen Hintergrund, und damit können sie auf das 5. oder 6. Jahrhundert verweisen. Einen letzten Beweis wird man aber erst dann haben, wenn man auch archäologische Funde wie etwa Gräber oder Siedlungsspuren auf der Gemarkung findet.
BZ: Im Falle Oberschopfheims hat man das: Bereits 1935 wurde ein Steinbeil aus der Jungsteinzeit, also einer Zeit Jahrhunderte vor Christi Geburt, ausgegraben. Dennoch: Ist es umgekehrt auch möglich, dass die beiden Orte noch gar nicht 1250 Jahre alt sind, sondern deutlich weniger?

Mietzner: Möglich, aber es spricht zur Zeit nichts dafür. Da wir uns hier im Felde der Wahrscheinlichkeiten bewegen, halten wir uns am besten an das, wofür wir Begründungen vorlegen können. Für eine Gründung im 9. oder 11. Jahrhundert wüsste ich keinen Grund, und über unbegründete Thesen lässt sich schlecht diskutieren.

BZ: Mietersheim ist schon mitten im Feiern, die Oberschopfheimer stecken mitten in der Planung: Was können Sie Letzteren raten: das Fest abzublasen – oder auf jeden Fall ein schönes Dorffest zu feiern, das die Geschichte würdigt, egal wie gesichert manche Daten sind?

Mietzner: Tja, das Thema Gedenkkultur. Es betrifft ja nicht nur Oberschopfheim, sondern auch Kippenheim, das ebenfalls erst 2013 feiert. Ich sehe das eigentlich so: Es geht im Kern nicht um Zahlenmagie, auch wenn der "Zauber der runden Zahl" eine wichtige Rolle spielte. Es geht darum, dass Orte ab und zu in ihrer Geschichte innehalten und zurückblicken. Auf das, was gemeinsam durchlebt, erlitten oder gestaltet wurde. Es geht um Identitäts- und Traditionsbildung. Schon Ersterwähnungen, auch wenn sie korrekt sind, sind ja immer nur ein Notbehelf, denn der Ort ist oft Jahrhunderte älter als die erste urkundliche Erwähnung. Die zahlreichen Orte, die in diesem und im nächsten Jahr feiern, feiern nicht wirklich "1250 Jahre", sondern ihre Geschichte. Dafür braucht es einen Anlass, mehr nicht. Ersterwähnungen sind nicht der Grund für Jubiläen, sondern nur der Auslöser. Ein Jubiläum kann eben auch durch eine verfälschte Urkunde ausgelöst werden. Absurd wird es erst, wenn ein Ort deutlich Jahrhunderte jünger ist oder nichts mit dem Kontext der Urkunde zu tun hat. Der Mitgliedergruppe Geroldsecker Land des Historischen Vereins für Mittelbaden wird 2013 den Ortenauer Geschichtstag zum Thema "Fälschungen in der Geschichte" abhalten. Ich denke, dass wir dann noch einmal trefflich über dieses Thema diskutieren können.
ZUR SACHE: ORTSJUBILÄEN Nicht nur Mietersheim und Oberschopfheim berufen sich auf das Testament des Bischofs Heddo., sondern auch Kippenheim und Rust, aber auch Bahlingen, Riegel, Forchheim oder Burkheim. Doch während Mietersheim und Rust und das Kaiserstuhl-Quartett 2012 feiern und damit 762 als Bezugsjahr nehmen, orientieren sich Oberschopfheim und Kippenheim an 763.
ZUR PERSON: THORSTEN MIETZNER ist Jahrgang 1963 und Stadthistoriker am Stadtarchiv in Lahr. Er hat in Marburg und Freiburg Geschichte und Philosophie studiert. In den vergangenen Jahrzehnten hat er zahlreiche Texte zur Lokal- und Regionalgeschichte geschrieben und veröffentlicht. Aktuell ist er auch tief in die Geschichte des Lahrer Stadtteils Mietersheim eingestiegen.


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Artikel im Offenburger Tageblatt 23.03.2012